Zur Herausgabe des Kinderreisepasses
In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zu einer seit langem strittigen Rechtsfrage Stellung genommen. Bisher war in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob es einen Anspruch auf Herausgabe des Reisepasses gibt, und wenn ja, aufgrund welcher Norm dieser Anspruch bestehen würde.

In dem vorliegenden Sachverhalt lebten beide Eltern eines gemeinsamen Kindes getrennt voneinander. Beide hatten die elterliche Sorge, beide Eltern lebten in Deutschland, aber die Mutter kam ursprünglich aus Kamerun. Der Vater war im Besitz des Kinderreisepasses und wollte diesen nicht an die Mutter herausgeben. Er hatte vielmehr die Sorge, dass die Mutter mit dem Kind ins Ausland verreisen könnte und dies zu einer Entführungssituation führen könnte.

Im Zivilrecht ist nicht ausdrücklich geregelt, aufgrund welcher Norm sich ein Herausgabeanspruch des Reisepasses ergeben könnte. Aus diesem Grund war es in Literatur und Rechtsprechung umstritten, auf welcher Norm dieser Anspruch ggf. gegründet werden könnte. Der BGH kommt in seiner Entscheidung zu dem Schluss, dass es im Zivilrecht eine Regelungslücke gibt, die durch die analoge Anwendung der §§ 1632 Abs. 1 und §1684 Abs. 2 BGB zu schließen ist. Der BGH führt aus, dass die Sachverhalte der Personensorge und des Umgangs es erfordern, dass der jeweils hierfür berechtigte Elternteil während der Betreuung des Kindes in der Lage sein muss, die Zeit, die er mit dem Kind verbringen möchte, ungestört und kindeswohldienlich verbringen zu können. Dies führt zu dem Anspruch, dass zu den allgemeinen persönlichen Gegenständen des Kindes, wie Kleidung und andere Gegenstände auch Urkunden herauszugeben sind, die der Elternteil für den Aufenthalt des Kindes bei ihm benötigt. Nach § 1684 Abs. 2 BGB hat der jeweils andere Elternteil alles zu unterlassen, was die Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil erschwert oder beeinträchtigt. Die mangelnde Herausgabe von Reisedokumenten führt zu einer solchen Beeinträchtigung, weshalb diese Regelung analog, d. h. entsprechend anzuwenden ist.

Eingeschränkt wird dies für diejenigen Fälle, in denen der andere Elternteil eine berechtigte Sorge hat, dass mit der Herausgabe der Reisedokumente das Kind ins Ausland entführt werden kann. In einem solchen Fall muss das Dokument nicht herausgegeben werden. Hierfür bedarf es aber eines entsprechenden Sachvortrags.
BGH, Beschluss vom 27.03.2019, Az.: XII ZB 345/18, eingestellt am 14.07.2019