Die gemeinsame elterliche Sorge ist nicht zwangsläufig bei einem Elternkonflikt aufzuheben
Im vorliegenden Fall hatte das OLG Karlsruhe darüber zu entscheiden, ob wegen eines vorgetragenen Elternkonflikts die elterliche Sorge auf die Mutter zu übertragen sei, die dies beantragt hatte. In dem Fall trugen die Eltern jeweils unterschiedliche Sichtweisen des bestehenden Elternkonflikts vor. Während die Mutter vortrug, dass es weder bei der Schulauswahl noch bei der Beantragung von Reisepässen und medizinischer Versorgung zu Unstimmigkeiten zwischen den Eltern gekommen ist und der Vater seine Zustimmung verweigern würde, stellte der Vater des Kindes dar, dass er sowohl dem Schulbesuch zugestimmt habe, nachdem er sich über die ausgewählte Schule informiert hätte, dass er der medizinischen Versorgung grundsätzlich durch die Mutter zugestimmt habe und nur bei akuten größeren Verletzungen des Kindes informiert werden wolle, wenn das Kind sich bei der Mutter verletzt. Darüber hinaus hätte man in allen anderen Angelegenheiten auch im Rahmen von Eltern- und Beratungsgesprächen Einigungen getroffen.

Das OLG Karlsruhe stellte in dem Beschluss fest, dass nach § 1671 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge auf ein Elternteil zu übertragen ist, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Das Gericht verwies darauf, dass nach dieser Norm eine zweifache Kindeswohlprüfung stattzufinden hat. Erstens müsse es dem Kindeswohl dienlich sein, die elterliche Sorge auf ein Elternteil zu übertragen und zweitens müsse die Übertragung gerade auf den Elternteil dienlich sein, der die Übertragung der elterlichen Sorge beantragt hat.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellte das OLG Karlsruhe dar, dass ein Elternkonflikt, respektive eine kontroverse Diskussion zwischen den Eltern in der Regel nicht einen Konflikt darstellen würde, der die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil rechtfertigen würde. Es ist gerade in der Elternbeziehung der Normalfall, dass sich die Eltern kontrovers darüber unterhalten, was für das Kind das Beste sei. Aus dieser Kontroverse heraus sei dann eine Lösung der Eltern zu finden.

Für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ist es nach Ansicht des OLG Karlsruhe Grundvoraussetzung, dass zwischen den Eltern eine Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft besteht. Hierfür sind drei Kriterien wesentlich, nämlich eine tragfähige und soziale Beziehung der Eltern, ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern und beides hat sich wiederum am Kindeswohl auszurichten. Es ist am Einzelfall zu beurteilen, ob für die Entscheidung diese Voraussetzungen vorliegen. Die gemeinsame elterliche Sorge kommt dann nicht in Betracht, wenn das Verhältnis erheblich belastet ist, das Kind ebenfalls belasten würde und man die Eltern zwingen würde, die elterliche Sorge gemeinsam tragen zu müssen.

Nach Wertung des Sachvortrags kam das OLG Karlsruhe in der vorliegenden Entscheidung zu dem Schluss, dass nicht festgestellt werden könne, dass es an einer tragfähigen sozialen Beziehung der Eltern fehlen würde und dass auch zwischen den Eltern keine Übereinstimmung möglich wäre. Insofern wurde die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Mutter abgelehnt.
OLG Karlsruhe, Az. 20 UF 27/19, Beschluss vom 28.03.2019, eingestellt am 01.09.2019