Der Europäische Gerichtshof erleichtert die Anerkennung einer außergerichtlichen Ehescheidung, die im EU-Ausland erfolgte
Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Standesamtaufsicht gegen TB entschieden, dass auch außergerichtliche Ehescheidungen, die im Europäischen Ausland durchgeführt wurden und vor einem Standesbeamten des jeweiligen Mitgliedstaates nach dortigem, anwendbaren Recht erfolgt, eine „Entscheidung“ nach der sogenannten Brüssel IIa Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 17.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 1347/2000) darstellt.

Dem Sachverhalt lag zugrunde, dass ein italienischer Staatsangehöriger und eine deutsche und italienische Staatsangehörige in Deutschland im Jahr 2013 die Ehe miteinander eingegangen sind und im Jahr 2018 ein außergerichtliches Scheidungsverfahren in Italien nach dortigen Rechtsvorschriften durchgeführt hatten und der mit dem Verfahren befasste italienische Standesbeamte den Eheleuten dann eine Bescheinigung über deren Ehescheidung ausgestellt hatte. Diese Ehebescheinigung wurde in Deutschland nicht anerkannt und die Entscheidung wurde im gerichtlichen Verfahren vom Bundesgerichtshof dann dem Europäischen Gerichtshof mit der Frage vorgelegt, ob die außergerichtliche Ehescheidungsbescheinigung des Standesbeamten eine „Entscheidung“ nach der Brüssel IIa-Verordnung darstellt.

Der Europäische Gerichtshof führt in seiner Entscheidung aus, dass zum Begriff „Entscheidung“ nach der Brüssel IIa-Verordnung sowohl gerichtliche aber auch außergerichtliche Verfahren, die eine Entscheidung über die Ehescheidung umfassen dann anzusehen sind, sofern das jeweilige nationale Recht der Mitgliedsstaaten auch in außergerichtlichen Verfahren Behördenzuständigkeiten in Ehescheidungssachen zuweisen, so dass im vorliegenden Verfahren, die Ehe der Eheleute in Italien außergerichtlich vor einem Standesbeamten wirksam geschieden wurde.

Praxishinweis:
Die Entscheidung macht deutlich, dass auch außergerichtliche Ehescheidungsverfahren nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ausdrücklich unter die Brüssel IIa-Verordnung fallen, sofern das mitgliedsstaatliche Recht eine solche Zuweisung vorsieht. Im Einzelfall ist also ein Abgleich vorzunehmen, welche Möglichkeiten das nationale Recht einräumt, um die Scheidung der Ehegatten gerichtlich oder außergerichtlich durchzuführen.
Europäischer Gerichtshof, Rechtssache C-646/20, Urteil vom 15.11.2022, eingestellt am 01.06.2023