Anforderungen an eine Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung im Sorgerecht
Das Oberlandesgericht (OLG) Jena hat sich im vorliegenden Beschluss mit der Frage der Eilbedürftigkeit beim Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sorgerecht befasst. Ausgangspunkt war ein Streit zwischen getrenntlebenden Eltern eines wenige Monate alten Kindes, bei dem die Mutter die alleinige elterliche Sorge, hilfsweise bestimmte Teilbereiche wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und die Vertretung in behördlichen Angelegenheiten im Wege der einstweiligen Anordnung beantragte.

Das OLG stellt klar, dass eine einstweilige Anordnung nach § 49 Abs. 1 FamFG nur dann ergehen kann, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Dies ist nur dann gegeben, wenn ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung für das Kind erhebliche Nachteile bedeuten würde. Nicht ausreichend ist, dass die begehrte Regelung für die Antragstellerin lediglich vorteilhaft oder praktisch wäre; vielmehr muss eine konkrete Gefährdung der zu schützenden Interessen, insbesondere des Kindeswohls, vorliegen.

Im konkreten Fall prüfte das Gericht, ob eine akute Gefahr bestand, dass der Kindesvater das Kind eigenmächtig ins Ausland verbringen könnte. Zwar kann ein solches Verhalten grundsätzlich eine Eilbedürftigkeit begründen, im vorliegenden Fall sah das OLG jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine solche Absicht. Der Kindesvater hatte im Beschwerdeverfahren ausdrücklich erklärt, den Aufenthalt des Kindes bei der Mutter in Deutschland zu respektieren und den Kontakt zum Kind regelmäßig pflegen zu wollen. Damit war nach Ansicht des Gerichts kein aktuelles dringendes Regelungsbedürfnis hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder der alleinigen Befugnis zur Regelung behördlicher Angelegenheiten gegeben.

Das OLG betont zudem, dass das Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht dazu dient, mittel- oder langfristige Perspektiven der Eltern zu klären oder dauerhafte Regelungen zu treffen. Es darf mit einer vorläufigen Entscheidung keine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen, die sich gravierend auf das Kindeswohl oder die Grundrechtsposition eines Elternteils auswirkt. Die Anforderungen an die Dringlichkeit sind deshalb hoch anzusetzen.

Lediglich hinsichtlich der Gesundheitssorge bejahte das OLG eine Eilbedürftigkeit, da bei einem Säugling besondere Schutzbedürftigkeit besteht und eine konfliktfreie und schnelle Entscheidungsfähigkeit im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist. Die alleinige Übertragung der Gesundheitssorge auf die Mutter wurde daher bestätigt, während weitergehende Anträge mangels Dringlichkeit abgewiesen wurden.

Zusammenfassend verdeutlicht der Beschluss, dass einstweilige Anordnungen im Sorgerecht nur bei konkreter, gegenwärtiger Gefährdung des Kindeswohls ergehen dürfen und nicht der bloßen Absicherung elterlicher Interessen oder der Schaffung langfristiger Rechtsklarheit dienen.
OLG Jena, Az.: 1 UF 422/24, Beschluss vom 28.03.2025, eingestellt am 14.05.2025