Zur Annahme eines fiktiv erzielten Einkommens bei voriger Nutzung einer selbstgenutzten Wohnung nach deren Verkauf
Vor dem Oberlandesgericht Nürnberg ging es in einem Verfahren um die Fragestellung, ob der geschiedene Ehemann und Unterhaltsschuldner gegenüber der geschiedenen Ehefrau, der Unterhaltsgläubigerin, für seine Unterhaltszahlung sich den Betrag als fiktives Einkommen zurechnen lassen muss, den er zuvor als ersparten geldwerten Vorteil durch Selbstnutzung einer Immobilie als Wohnvorteil erzielt hat. Der Unterhaltsschuldner hatte zwei Immobilien. Das eine war die Immobilie der Eltern, die ihm alleine gehörte, und zum anderen eine Immobilie, in der sich die Ehewohnung der Beteiligten befand und die einen hohen Renovierungsstau hatte. Beide Häuser standen im Alleineigentum des Unterhaltsschuldners. Im weiteren Verlauf verkaufte der Unterhaltsschuldner beide Immobilien und legte das Barvermögen in Höhe von ca. 560.000,00 € auf ein Konto, das keinen Zinsertrag abwarf. Das OLG Nürnberg nahm in seiner Entscheidung an, dass dem Unterhaltsschuldner weiterhin der ersparte Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen Objekt auch nach Verkauf der Immobilie als fiktives Einkommen zuzurechnen wäre und so der Unterhaltsanspruch der Ehefrau in voller Höhe weiter bestand. Begründet wurde dies mit einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheitspflicht des Unterhaltsschuldners.

Das Oberlandesgericht Nürnberg führt aus, dass der Ehemann durch den Verkauf beider Häuser seine Obliegenheitspflicht verletzt hat, da er das Geld nicht wirtschaftlich sinnvoll aus Sicht des Gerichts angelegt hat und zudem beide Immobilien verkauft hat. Es hätte nach Auffassung des Gerichts auch eine Immobilie verkaufen können, mit dem Erlös die andere sanieren können und so weiterhin einen Wohnvorteil generieren können.

Die Entscheidung wirft einige Fragen auf, insbesondere die Frage nach der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, der für sich entscheidet, wie er sein Geld anlegt. In Zeiten der Niedrigzinspolitik wäre er, folgt man der Auffassung des Gerichts verpflichtet, sein Geld risikoreich anzulegen, um Zinserträge zu generieren, die dann für den Unterhalt anzusetzen sind.
OLG Nürnberg, Az.: 10 UF 1286/19, Beschluss vom 16.07.2020, eingestellt am 01.06.2021