Elterliche Sorge bei nichtehelicher Lebensgemeinschaft
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Beschluss vom 10.6.2020 entschieden, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nicht übertragen wird, wenn eine Prognose besteht, dass die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht funktionieren werde, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass zwischen den Kindeseltern auch zukünftig keine Kooperation stattfinden und eine Phase der Erprobung erheblich belastend für das Kind wäre.

Das Verfahren betrifft die elterliche Sorge für den gemeinsamen Sohn der Kindeseltern. Die Eltern lebten in einer nichtehelichen Beziehung und trennten sich während der Schwangerschaft. Der Kindesvater hatte die Vaterschaft anerkannt, die Mutter hatte insoweit die notwendige Zustimmung zunächst verweigert. Der Antragsteller zahlte Kindesunterhalt und es gab erhebliche Konflikte zwischen den Kindeseltern. Die Kindesmutter weigerte sich zunächst auch gegen einen unbegleiteten Umgang des Vaters mit dem Sohn und es wurde ein Eilverfahren und ein Hauptsacheverfahren geführt. Aufgrund der erheblichen Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern hatte das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.12.2019 den Antrag des Kindesvaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zurückgewiesen. Zwischen den Beteiligten seien diverse Gerichtsverfahren anhängig und auch gegen die vom Gericht getroffene Umgangsregelung habe die Kindesmutter Beschwerde eingelegt. Das Verhältnis der Kindeseltern sei hochstrittig, so dass eine Konsensfindung nicht möglich sei. Aufgrund der Streitpunkte ergebe sich eine Prognose, dass mit großer Wahrscheinlichkeit auch die elterliche Sorge nicht gemeinsam ausgeführt werden könne. Das Verhalten der Kindeseltern sei geprägt von mangelnder Wertschätzung und gegenseitige Abneigung. Bei Übertragung der gemeinsamen Sorge sei zu befürchten, dass wichtige Entscheidungen nicht oder erst aufgrund vorherige Entscheidung des Gerichts getroffen werden könnten und dass die Streitigkeiten zu einer erheblichen Belastung für das Kind führen würden.

Gegen diese Entscheidung hat der Kindesvater Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Kindeseltern derzeit nicht in der Lage seien, zum Wohl des Kindes gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Stattdessen würde die hohe Konflikthaftigkeit noch weiter erhöht werden. Dies könne zu einer Schädigung des Kindes führen, das durch einen dauerhaften Streit belastet wäre. Die gesamte Kommunikation zwischen den Kindseltern könne nur als negativ und wenig wertschätzend beschrieben werden. Nach § 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 BGB lägen die Voraussetzungen für die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht vor. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Eltern gemeinsam erfolge nur, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspreche. Für die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und Erziehung erforderlich. Aufgrund der Hochstrittigkeit der Eltern liege hier kein Mindestmaß an Übereinstimmung vor. Auch die vom Kindesvater geforderte Erprobung der gemeinsamen Sorge könne auch schon dem Kindeswohl schaden, so dass die gemeinsame Sorge auch nicht probeweise auf beide Eltern übertragen werde.
OLG Karlsruhe, Aktenzeichen 20 UF 14/20, Beschluss vom 10.6.2020, eingestellt am 31.12.2020