Entzug der elterlichen Sorge eines schwerbehinderten Kindes?
Das Oberlandesgericht Braunschweig hatte sich in einem Verfahren mit der Frage auseinanderzusetzten, ob Teile der elterlichen Sorge der Kindesmutter entzogen werden sollten, die alleine das schwerbehinderte Kind betreut. Der Vater des Kindes ist bereits verstorben. Die Mutter betreut das behinderte Kind alleine. Die Kindesmutter lebt seit mehr als 15 Jahren in Deutschland, stammt aus Asien und ist der deutschen Sprache nur bedingt mächtig, so dass die Kommunikation mit der Kindesmutter im Wesentlichen mittels Dolmetscher erfolgen muss.

Aufgrund der Betreuungssituation hat das Jugendamt angeregt, der alleinerziehenden Mutter, die nach Maßgabe des Jugendamtes mit der Betreuung des Kindes überfordert sei, Teile der elterlichen Sorge, wie das Aufenthaltsbestimmungsrecht, zu entziehen.

Das Oberlandesgericht Braunschweig führt in seiner Entscheidung aus, dass es nicht gerechtfertigt ist, bei einem schwerbehinderten Kind, das allein durch einen Elternteil betreut wird, die elterliche Sorge zu entziehen, da die Möglichkeit bestünde, dass dieser Elternteil zukünftig ausfallen würde. Dies stellt nach Auffassung des Gerichts zutreffender Weise keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Eine alleine vorbeugende Fremdunterbringung des Kindes, damit es sich bereits eingewöhnen kann in einer Umgebung zu leben, und ohne die Kindesmutter auszukommen, kann ohne konkreten Anlass nicht gerechtfertigt sein, so dass der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht entzogen werden kann. Ebenfalls stellt es keine Kindeswohlgefährdung dar, wenn die bestmögliche Förderung eines Kindes unterbleibt. Das Gericht führt aus, dass, solange die unverzichtbaren und grundlegenden Lebensbedürfnisse des schwerbehinderten Kindes durch die Kindesmutter sichergestellt sind, keine Kindeswohlgefährdung vorliegt, die Förderung liegt allein im Verantwortungsbereich des oder der sorgeberechtigten Eltern. Auch die Frage der Kommunikation mit der Kindesmutter, die nur mittels Dolmetscher möglich sei, rechtfertigt nicht den Entzug von Teilen der elterlichen Sorge.
OLG Braunschweig, Az. 2 UF 122/22, Beschluss vom 22.12.2022, eingestellt am 01.05.2023