Fiktives Einkommen ungelernter Arbeitnehmer im Kindesunterhaltsrecht
In dem vorliegenden Fall geht es um die fiktive Einkommensermittlung bei einem ungelernten Arbeitnehmer im Rahmen eines Unterhaltsstreits.
Der Antragsteller (Ast.), ein Kind, fordert von seinem Vater, dem Antragsgegner (Ag.) den Mindestunterhalt ab Juni 2021. Der Ag. hatte nach der Scheidung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeit als Lagerhelfer aufgegeben und war seitdem keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen. Der Ast. argumentiert, dass der Ag. in der Lage sei, den Mindestunterhalt zu zahlen, während der Ag. sich auf fehlende Leistungsfähigkeit aufgrund einer Depression beruft. Das Familiengericht (FamG) verpflichtete den Ag. nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Zahlung von rückständigem und laufendem Kindesunterhalt.
Dabei wurde der Ag. fiktiv als Lagerarbeiter mit einem Einkommen oberhalb des Mindestlohns veranlagt, da er über viele Jahre in diesem Bereich tätig war und über den Mindestlohn hinausgehende Einkünfte erzielt hatte. Der Ag. legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und argumentierte, dass das FamG ein zu hohes fiktives Einkommen angesetzt habe. Er führte an, dass er aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht in der Lage sei, Nachtschichten zu leisten, wie es im Logistikbereich oft erforderlich sei. Zudem kritisierte er die Annahme einer 44-Stunden-Woche durch das FamG und machte geltend, dass er aufgrund der Betreuung seines älteren Sohnes B., der seit August 2023 bei ihm lebt, weniger leistungsfähig sei.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Beschwerde größtenteils zurück. Es entschied, dass das FamG zu Recht ein fiktives Einkommen oberhalb des Mindestlohns angesetzt habe, da der Ag. über eine längere Zeit hinweg in einem Bereich tätig war, in dem er mehr als den Mindestlohn verdient hatte. Die Annahme einer 44-Stunden-Woche wurde jedoch korrigiert: Das OLG legte eine 40-Stunden-Woche zugrunde, da dies dem aktuellen Arbeitsmarkt entspreche. Eine zusätzliche Nebentätigkeit von vier Stunden pro Woche sei dem Ag. zumutbar.
OLG Hamm; Az: 4 UF 80/23, Beschluss vom 27.11.2023, eingestellt am 15.11.2024