Zur Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil, § 1671 BGB
Der gesetzliche Leitgedanke ist, dass die elterliche Sorge grundsätzlich von beiden Elternteilen ausgeübt wird, wenn nicht Gründe gegeben sind, die hiergegen sprechen. Im Rahmen der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil bedarf es der zweistufigen Kindeswohlprüfung, wonach zunächst festgestellt wird, dass die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist und dass im Rahmen der zweiten Stufe die Übertragung der elterlichen Sorge gerade auf den Elternteil zu erfolgen hat, der die alleinige Sorge beantragt. Demzufolge hat das Gericht die alleinige Sorge dann anzuordnen, wenn aus Kindeswohlgründen die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ausscheidet. Im Rahmen der gerichtlichen Prüfung sind daher alle Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen Betrachtung gegeneinander abzuwägen, die gegen die gemeinsame Sorge sprechen. Hierzu zählen die Erziehungseignung der Eltern, die Prinzipien der Kontinuität in der Betreuung und die Förderung des Kindes, die kindliche Bindung zu den Eltern und auch der Kindeswille. All diese Kriterien stehen nicht kumulativ nebeneinander, sondern sind im Einzelfall mehr oder minder von Gewicht und bedeutsam, um das Kindeswohl beurteilen zu können und welche Entscheidung dem Kindeswohl am besten entspricht.

Die Rechtsprechung fordert von den Kindeseltern für die Ausübung der elterlichen Sorge, dass ein Mindestmaß an Kommunikation und sozialer Beziehung zwischen den Eltern besteht, damit sie die elterliche Sorge ausüben können. Ist die Kommunikation nachhaltig und schwerwiegend gestört, so dass zu befürchten ist, dass die Eltern keine gemeinsame Entscheidung finden können, die für das Kind erforderlich ist, so kann sich dies nachhaltig auf das Kind auswirken und die elterliche Sorge kann dann einem Elternteil übertragen werden. Im Rahmen der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob die Prinzipien der Bindung, der Kontinuität, der Förderung und des Kindeswillens dann bei demjenigen Elternteil stärker vorhanden sind, der die Übertragung der alleinigen Sorge beantragt.

In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Bremen ging es genau um diese Fragestellung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass eine tragfähige Kommunikation zwischen den Eltern nicht mehr gegeben war und hat entschieden, dass die Bindung des Kindes zur Mutter, die Betreuung durch die Mutter im Rahmen der Kontinuität und auch der geäußerte Wille des Kindes dafür sprach, dass die elterliche Sorge auf die Mutter zu übertragen ist.

Praxishinweis:
Grundsätzlich kann die erste Ebene dadurch erreicht werden, dass behauptet wird, eine Kommunikation mit dem anderen Partner sei nicht mehr möglich und die Kommunikation sei schwerwiegend gestört. Dies ist ein häufiges Argument, was in Sorgerechtsverfahren zu hören ist und was durch eine einfache Verweigerung der Kommunikation leicht erzielt werden kann, weshalb die erste Stufe einem gewissen Maß an Missbrauch unterliegt. Wichtig ist deshalb in Sorgerechtsverfahren insbesondere, dass die Förderungsprinzipien, die Kontinuität, die Bindung des Kindes und auch der geäußerte Kindeswille beachtet werden. Hierbei ist beachten, dass auch der Kindeswille, je nachdem wie alt das Kind ist, einer starken Beeinflussung durch die Eltern unterliegt. Aus diesem Grund lässt sich im Sorgerecht eine Wahrscheinlichkeit der Entscheidung des Gerichts jeweils schwer ermitteln.
OLG Bremen, Az. 4 UF 80/21, eingestellt am 14.10.2022