Keine Bindungswirkung bezüglich einer späteren Umgangsentscheidung bei vorab festgestellter Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts
In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs geht dieser darauf ein, dass es sich bei Sorgerechtsentscheidungen und Umgangsrechtsentscheidungen um separate und eigenständige Verfahrensgegenstände handelt. Sorgerechtsverfahren betreffen Teile oder die elterliche Sorge als Ganzes. Umgangsregelungen betreffen die Ausübung der Sorge. Besteht ein Umgangsverfahren und wird dort eine gerichtliche Entscheidung getroffen, so bindet dies nicht die Entscheidung im Sorgerechtsverfahren, da es sich um jeweils eigenständige und separate Verfahrensgegenstände handelt. § 1696 Abs. 1 BGB, der die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen betrifft, findet also im Umgangsverfahren keine Anwendung auf ein vorheriges Sorgerechtsverfahren und umgekehrt.

Im vorliegenden Fall hatten die Eltern zunächst eine Umgangsregelung getroffen, der Vater wollte später das Wechselmodell durchführen. Der Bundesgerichtshof führt aus, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht aus sich selbst heraus gleichbedeutend ist mit einer gerichtlichen Entscheidung zum Residenzmodell. Dies mag in vielen Fällen zwar ein Motiv sein, ist aber nicht Teil des Entscheidungsgegenstandes, wenn es darum geht, lediglich die Befugnis des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ein Elternteil zu übertragen.

Der BGH führte auch aus, dass wenn beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ein Elternteil übertragen worden ist und die Eltern im Nachgang einvernehmlich eine Regelung zum Wechselmodell treffen, dies keiner weiteren Abänderungen des zuvor festgestellten gerichtlichen Aufenthaltsbestimmungsrechts bedarf. Die Festlegung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bedeutet nicht, dass damit bereits eine Regelung zum Umgang getroffen worden ist. Dies ist ein selbstständiges Verfahren, sodass es danach keiner weiteren Abänderung der im Sorgerecht getroffenen Entscheidung bedarf.
BGH, Az.: XII ZB 512/18, Beschluss vom 27.11.2019, eingestellt am 31.01.2020