Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs bezüglich der Zuständigkeit des Gerichts in Unterhaltssachen
In dem Fall, der vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt wurde, ging es um eine Unterhaltsstreitigkeit zwischen der nunmehr volljährigen ehelichen Tochter und ihrer Mutter. Nach der Scheidung der Eltern im Jahr 2010 lebte die Tochter zunächst bei ihrer Mutter in Belgien, während der Vater in Deutschland wohnte. Die Mutter erhielt vom Vater Unterhaltszahlungen für die Tochter aufgrund eines belgischen Unterhaltstitels.
Im Jahr 2017 wurde das „Hauptbeherbergungsrecht“ für die Tochter auf den Vater übertragen. Seitdem lebte die Tochter während der Woche in einem Internat in Deutschland und verbrachte die Schulferien hauptsächlich bei ihrem Vater. Dennoch hatte sie weiterhin eine Adresse in Belgien bei ihrer Mutter, mit der sie jedoch keinen Kontakt mehr wünscht.
Im Ausgangsverfahren vor einem deutschen Gericht fordert die Tochter nun von ihrer Mutter Unterhalt ab November 2017. Parallel dazu hatte die Mutter jedoch bereits ein Verfahren gegen den Vater in Belgien eingeleitet, in dem sie Ausgleichszahlungen für die Zeit vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2018 verlangt, in der die Tochter noch bei ihr lebte. Das deutsche Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt erklärte sich im November 2021 für zuständig, wies den Antrag der Tochter jedoch wegen Rechtshängigkeit ab, da das belgische Verfahren bereits zuvor anhängig war.
Die Tochter legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, woraufhin das Oberlandesgericht das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt zurückverwies.
Das Amtsgericht hatte jedoch Zweifel bezüglich der Auslegung von Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (Verordnung (EG) Nr. 4/2009) und legte dem Europäischen Gerichtshof die Frage vor, ob in diesem Fall eine Rechtshängigkeit vorliegt, wenn in Belgien ein Verfahren zwischen den Eltern des Kindes rechtshängig ist, während in Deutschland ein Verfahren zwischen dem inzwischen volljährigen Kind und seiner Mutter anhängig ist.
Der EuGH stellte fest, dass Art. 12 der Verordnung Nr. 4/2009 verlangt, dass die Verfahren „zwischen denselben Parteien“ und „wegen desselben Anspruchs“ anhängig sein müssen, damit eine Rechtshängigkeit vorliegt. In diesem Fall sind jedoch die Parteien in den beiden Verfahren unterschiedlich: In Belgien stehen sich die Eltern gegenüber, während in Deutschland das Kind gegen seine Mutter klagt. Zudem haben die Verfahren nicht denselben Anspruch, da sie unterschiedliche Zeiträume betreffen und unterschiedliche Ziele verfolgen. Daher liegt keine Rechtshängigkeit im Sinne der Verordnung Nr. 4/2009 vor.
Der Gerichtshof wies jedoch darauf hin, dass das deutsche Gericht das Verfahren nach Art. 13 der Verordnung aussetzen könnte, wenn zwischen den beiden Verfahren eine enge Beziehung besteht. Dies würde dem Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege dienen und die Gefahr unvereinbarer Entscheidungen vermeiden.
EuGH, Urteil vom 6. Juni 2024, Rechtssache C 381/23, eingestellt am 01.09.2024