Vorsorgevollmacht, Auftragsverhältnis und Rechnungslegungspflicht
Die Erteilung einer Vollmacht durch den Vollmachtgeber an den Vollmachtnehmer beinhaltet in der Regel nicht, dass der Vollmachtnehmer zur Rechnungslegungspflicht gegenüber dem Vollmachtgeber verpflichtet ist. Eine solche Rechnungslegungspflicht ergibt sich vielmehr aus einem Auftragsverhältnis, so wie es in § 666 BGB niedergelegt ist.

In erbrechtlichen Verfahren stellt sich aber die Frage, ob eine Vorsorgevollmacht nicht ggf. auch Rechnungslegungspflichten begründen kann, so dass die Erben entsprechende Auskunftsansprüche und Rechnungslegungsansprüche gegen den Bevollmächtigten innehaben.

Ein solches Verfahren wurde vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführt und das Oberlandesgericht Braunschweig setzt sich in seiner Entscheidung mit der Abgrenzung von Vollmacht und Auftragsverhältnis auseinander. In dem vorliegenden Fall hatte die Mutter dem eigenen Sohn, mit dem sie im selben Haus, aber in getrennten Wohnungen lebte, eine Vorsorgevollmacht erteilt. Diese Vorsorgevollmacht beinhaltete, dass sich der Sohn um die Angelegenheiten der Mutter kümmern sollte, wenn diese hierzu nicht mehr in der Lage war. In der Erteilung der Vorsorgevollmacht sah das Oberlandesgericht Braunschweig auch ein Auftragsverhältnis, da mit Erreichung dieses Zustandes ein erhöhtes Kontrollbedürfnis des Vollmachtgebers, hier der Mutter, einhergehen würde, da sie den Vollmachtnehmer in Einzelheiten nicht mehr kontrollieren könne. Aus diesem Grund sei, da sich der Sohn um sämtliche Angelegenheiten kümmern sollte, von einem Auftragsverhältnis auszugehen, was wiederum die Rechnungslegungspflicht des Sohnes begründete. Etwas anderes hätte gelten können, wenn die Beteiligten zusammengewohnt hätten und ein besonderes emotionales Näheverhältnis zwischen den Beteiligten bestanden hätte. Hierzu wurden aber keine Ausführungen gemacht. Das Oberlandesgericht Braunschweig führt aus, dass zwischen Ehegatten im Rahmen einer intakten Ehe bei einer Vollmachtserteilung eine Rechnungslegung untereinander nicht zu erwarten ist. Dieses persönliche Näheverhältnis kann aber nicht auf andere familiäre Beziehungen pauschal übertragen werden, so dass auch bei der Vollmachtserteilung im Rahmen der Vorsorgevollmacht gegenüber den eigenen Kindern eine Auftragserteilung mit Rechnungslegungspflicht gesehen werden kann.

Praxishinweis: Aufgrund der Tatsache, dass Eltern häufig ihren eigenen Kindern Vorsorgevollmachten erteilen, kann hieraus im Rahmen des Erbfalles ein Rechnungslegungsanspruch abgeleitet werden, wenn die geistige Gesundheit des Vollmachtgebers derart beeinträchtigt ist, dass er seine Angelegenheiten vollständig nicht mehr selbst erfüllen kann.
OLG Braunschweig, Az.: 9 U 24/20, Urteil vom 28.04.2021, eingestellt am 15.10.2021