Vorzeitiges Zugewinnausgleichsverfahren parallel zum Scheidungsverbundverfahren
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. November 2023 (XII ZB 386/22) behandelt die rechtliche Problematik des Zugewinnausgleichs bei vorzeitiger Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und die Auswirkungen auf anhängige Verfahren im Scheidungsverbund. Der Fall beleuchtet die Unterscheidung zwischen dem Anspruch auf vorzeitigen Zugewinnausgleich gemäß §§ 1385, 1386 BGB und dem Zugewinnausgleich nach der Scheidung gemäß § 1378 BGB.
Die Ehegatten heirateten 1992 und trennten sich 2016. Im Rahmen des Scheidungsverbunds beantragte die Ehefrau im April 2017 einen Stufenantrag auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung. Parallel dazu stellte sie im Jahr 2021 in einem separaten Verfahren einen Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich. In diesem Verfahren wurde die Zugewinngemeinschaft durch einen rechtskräftigen Teilanerkenntnisbeschluss vorzeitig aufgehoben, und die Ehefrau bezifferte ihre Forderung. Im Scheidungsverfahren beantragte die Ehefrau daraufhin die Feststellung, dass ihr ursprünglicher Leistungsantrag im Zugewinnausgleichsverfahren erledigt sei. Der Ehemann widersprach dieser Erledigungserklärung und beantragte die Abweisung des Antrags. Das Amtsgericht Düsseldorf stellte jedoch die Erledigung fest, was vom Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigt wurde. Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns blieb erfolglos.
Der BGH betonte, dass der vorzeitige Zugewinnausgleich und der Zugewinnausgleich nach der Scheidung unterschiedliche Streitgegenstände darstellen, da sie auf verschiedenen Lebenssachverhalten beruhen. Der vorzeitige Zugewinnausgleich setzt keine Scheidung voraus, während der Zugewinnausgleich nach der Scheidung an die rechtskräftige Beendigung der Ehe gebunden ist.
Durch die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft wurde der Antrag auf Zugewinnausgleich nach der Scheidung unbegründet. Der Anspruch konnte daher nicht mehr verfolgt werden, was eine Erledigungserklärung rechtfertigte. Der BGH stellte klar, dass bei einer parallelen Verfolgung von Ansprüchen eine doppelte Rechtshängigkeit vermieden werden muss. Eine Antragsänderung hin zum vorzeitigen Zugewinnausgleich wäre nur möglich gewesen, wenn das ursprüngliche Verfahren abgetrennt worden wäre. Der BGH sah keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch seitens der Ehefrau, da sowohl der ursprüngliche Antrag als auch die Erledigungserklärung rechtlich zulässig waren.
Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und stellte fest, dass die Erledigungserklärung im Hinblick auf den ursprünglichen Antrag im Zugewinnausgleichsverfahren rechtlich korrekt war. Die parallele Verfolgung von Ansprüchen aus dem vorzeitigen Zugewinnausgleich und dem Zugewinnausgleich nach der Scheidung ist zwar grundsätzlich zulässig, unterliegt jedoch strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen, um eine doppelte Rechtshängigkeit zu vermeiden.
BGH, Az.: XII ZB 386/22, Beschluss vom 22.11.2023, eingestellt am 30.11.2024